Das S.I.G.N.A.L.-Modellprojekt am Universitätsklinikum Benjamin-Franklin, FU Berlin (Beginn: 1999)
Das erste S.I.G.N.A.L. - Interventionsprojekt
Das Projekt „S.I.G.N.A.L.-Hilfe für Frauen“ war ein im medizinischen Bereich erstmaliges Interventionsprojekt gegen Gewalt an Frauen. Es wurde im September 1999 in der Ersten Hilfe des Universitätsklinikums Benjamin Franklin (Charité Campus Benjamin Franklin—CBF) eingerichtet. Ziel des Projekts war es, häusliche Gewalt als mögliche Ursache und Kontext von Verletzungen, Erkrankungen und Beschwerden zu erkennen und betroffenen Patientinnen eine problemadäquate weiterführende Unterstützung anzubieten. Zentrale Bestandteile des Projekts bildeten die Fortbildung der ärztlichen, pflegerischen und sonstigen Mitarbeiter/innen und die Entwicklung von Informations- und Arbeitsmaterial zur Intervention. Das Projekt entstand als Kooperationsbündnis, an dem interne Mitarbeiterinnen des Universitätsklinikums Benjamin Franklin der FU-Berlin wie externe Mitarbeiterinnen von Frauenberatungs- und Zufluchtsprojekten (Frauenzimmer e.V.) beteiligt waren.
Erprobt wurde im Rahmen des Modellprojekts das von Angelika May entwickelte "S.I.G.N.A.L.–Programm". Es basiert auf internationalen Vorbildern und umfasst die Interventionsschritte "Erkennen und Ansprechen von Gewalt",
"Rechtssichere Dokumentation von Verletzungen und Beschwerden", "Abklären der Gefährdung" sowie "Information über weiterführende Unterstützungsangebote". Weitere Informationen zum Interventionsprogramm:Leitfaden
Die wissenschaftliche Begleitforschung
Das S.I.G.N.A.L.-Interventionsprojekt wurde als Modellprojekt von 2000-2003 mit Förderung des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wissenschaftlich begleitet. Die Begleitforschung fand unter der Leitung von Prof. Dr. Ulrike Maschewsky-Schneider am Institut für Gesundheitswissenschaften der TU Berlin statt. Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen waren Dipl. Päd. Hildegard Hellbernd, MPH, Dipl. Pol. Karin Wieners, MPH und Dipl. Soz. Petra Brzank, MPH.
Fragestellung
Im Mittelpunkt der Begleitforschung standen der Prozess der Umsetzung und Verankerung der Intervention sowie erzielte Wirkungen der entwickelten Interventionsbausteine. Beantwortet werden sollten unter anderem folgende Fragen:
- Wie gelingt es pflegerische, ärztliche und sonstige Mitarbeiter/innen für die Problematik zu sensibilisieren und für die Intervention zu qualifizieren? Welche Belastungen und welche zusätzlichen Unterstützungsanforderungen entstehen?
- Wie reagieren Frauen, die von Gewalt betroffen sind, auf das neue Unterstützungsangebot und welche Bedürfnisse an Information und Hilfe formulieren sie?
- Welche internen und welche externen Bedingungen bzw. Einflussfaktoren wirken förderlich oder hemmend auf das Interventionsprojekt und seine Umsetzung? Gelingt der Aufbau tragfähiger Kooperations- und Vernetzungsstrukturen nach innen wie außen?
Methode
Die wissenschaftliche Begleitung war als formative Evaluation und als ein flexibles Evaluationskonzept angelegt, dass sich an der Projektentwicklung orientierte. Sie beinhaltet struktur-, prozess- und ergebnisorientierte Komponenten. Darüber hinaus war es Ziel, erste Daten über den Versorgungsbedarf im Bereich der Ersten Hilfe sowie über Beschwerden und Verletzungen zu gewinnen, mit denen sich von Gewalt betroffene Frauen an die Klinik wenden. Im Sommer 2002 erfolgte eine sechswöchige Befragung aller Patientinnen der Ersten Hilfe, um Prävalenzraten und die Erwartungen von Frauen an die medizinische Versorgung im Kontext von Gewalterfahrung zu ermitteln.
Ergebnisse
Der Projektverlauf zeigte bei Pflegekräften und Ärzten/innen Interesse an der Gewaltthematik und die Bereitschaft zur Intervention. Das Interventionsprogramm S.I.G.N.A.L. wurde als wichtig beurteilt und insgesamt als Bereicherung bewertet. Die erhobenen Daten unter Erste-Hilfe-Patientinnen (n=806) zeigen eine hohe Prävalenz: 36,6% der Befragten waren nach ihrem 16. Lebensjahr und 4,6% im letzten Jahr von häuslicher Gewalt betroffen. 57% der von Gewalt betroffenen Frauen berichteten von gesundheitlichen Folgen. Im Fall von häuslicher Gewalt würden 67% aller befragten Patientinnen mit ihrem Arzt darüber sprechen.
Die Ergebnisse der dreijährigen Begleitforschung sind in einem praxisorientierten Handbuch und wissenschaftichen Bericht veröffentlicht.
Hellbernd, H., Brzank, P., Wieners, K., Maschewsky-Schneider, U. (2004): Häusliche Gewalt gegen Frauen: gesundheitliche Versorgung. Das S.I.G.N.A.L. - Interventionsprogramm. Handbuch für die Praxis. Wissenschaftlicher Bericht. Berlin 2004. Förderung durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).
„Häusliche Gewalt gegen Frauen: gesundheitliche Versorgung“ von Bzank/Hellbernd/Wieners/Maschewsky-Schneider (deutsch)
„Domestic violence against women:¨Health Care“ by Brzank/hellbernd/Wieners/Maschewsky-Schneider (englisch)
Petra Brzank (2005): "Häusliche Gewalt gegen Frauen: gesundheitliche Versorgung. Das S.I.G.N.A.L. - Interventionsprogramm. Materialien zur Implementierung von Interventionsprogrammen".
Der Materialienband besteht aus einer Zusammenfassung des Handbuchs "Häusliche Gewalt gegen Frauen: gesundheitliche Versorgung. Das S.I.G.N.A.L.-Interventionsprogramm" (Hellbernd / Brzank / Wieners / Maschewsky-Schneider 2004) und ergänzt es um praxisorientierte Materialien zur Implementierung. Es werden Informationen präsentiert, die als Hintergrund für die Einführung eines Interventionsprojektes hilfreiche Argumente bieten. Die Materialien beruhen u.a. auf den Erfahrungen bei der Einführung und Verankerung des S.I.G.N.A.L.-Projekts. Sie können bei der Adaption des Interventionsprogramms und seiner Einführung dienlich sein. Die einzelnen Schritte der Entwicklung eines spezifischen Programms werden in Kurzform verdeutlicht. Eine ausführliche Beschreibung der einzelnen Maßnahmen und ihrer Bedeutung sind im Handbuch (s.o.) dargestellt. Das vorliegende Materialienpaket ist als weitergehende Hilfe zu verstehen.
Hildegard Hellbernd (2006): Gewalt gegen Frauen: gesundheitliche Versorgung. Das SIGNAL Interventionsprogramm. Förderung durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Berlin.
Das Curriculum beinhaltet einen theoretischen Teil zu Häuslicher Gewalt, gesundheitlichen Folgen und Interventionsmöglichkeiten in der Gesundheitsversorgung sowie methodischen Teil mit didaktischen Hinweise, Übungen, Handouts und Kopiervorlagen.
Das Curriculum steht in Verbindung mit einem Train-the-Trainer Seminar.
Weitere Informationen unter: info@signal-intervention.de